The Black Knight, op. 25


Entstehung


Elgar heiratete Caroline Alice Roberts am 8. Mai 1889 im Londoner Brompton Oratory. Kurz darauf nahm das junge Paar Wohnung in der englischen Metropole, um von dort aus die Karriere des jungen Komponisten voranzutreiben.

Der in der Hauptstadt des viktorianischen Empires völlig unbekannte Komponist konnte schon bald ein kleines Stück für Violine und Klavier mit dem Titel "Liebesgruß" an den Musikverlag Schott verkaufen, das er anlässlich seiner Verlobung mit Alice im Jahr zuvor komponiert hatte. Leider verkauft es sich schlecht, bis Schott auf die Idee kam, es in „Salut d'amour" umzubenennen. Es ist bis heute eine der berühmtesten Miniaturen Elgars geblieben.

Die Flitterwochen verbrachten die Elgars auf der Isle of Wight. Zurück in London gingen sie häufig in die von dem berühmten Dirigenten Hans Richter geleiteten symphonischen Konzerte, hörten Werke von Brahms, Dvořák, Parry und natürlich von Richard Wagner. Den Sommer verbrachten sie "in the country", und zwar im heimatlichen Malvern in der Nähe von Worcester.

Zurück in London begann Elgar im Herbst des Jahres die Komposition eines Chorwerkes auf das Gedicht „The Black Knight". Henry Wadsworth Longfellow, einer der Lieblingsdichter von Elgars Mutter, hatte das ursprünglich von Ludwig Uhland stammende Gedicht „Der schwarze Ritter" ins Englische übertragen und in seiner Sammlung „Hyperion" veröffentlicht. Doch die Komposition gedieh nicht so recht und Elgar wandte sich anderen Projekten zu. So entstanden einige Part-Songs und Voluntaries für Orgel.

Doch das, was sich die Elgars vom Leben in der Hauptstadt erhofft hatten, trat nicht ein. London brachte für Elgar keinen nennenswerten Karriereschub. Stattdessen erhielt Elgar aus dem heimatlichen Worcester den Auftrag, ein kurzes Orchesterwerk für das Worcester-Festival zu komponieren.

Durch eine Erwähnung in Sir Walter Scotts „Old Mortality" war Elgar auf den höfischen Dichter und Chronisten Jean Froissart, den Autor der chivalresken „Chroniques de France, d'Angleterre, d'Ecosse, de Bretagne, de Gascogne, de Flandre et lieux circonvoisins", gestoßen. Elgar, ganz von der ritterlichen Welt eingenommen, komponierte davon angeregt sein erstes Werk für großes Orchester: die Konzert-Ouvertüre "Froissart op. 19", die am 09. September 1890 erfolgreich beim "Three Choirs Festival" in Worcester uraufgeführt wurde. Das Uhland-Longfellow-Projekt für Chor hingegen lag indes weiterhin in der Schublade.

Erst als Elgar - die kleine Familie mit der einjährigen Tochter Carice war mittlerweile resigniert aus London zurück ins provinzielle Malvern gezogen - von seinem Freund Hugh Blair, der in jenen Jahren Organist an Worcester Cathedral und Leiter der Festival Choral Society war, 1892 dazu aufgefordert wurde „The Black Knight" fertigzustellen, griff er, durch die Aussicht das Werk alsbald aufgeführt zu sehen, motiviert zur Feder. Seine Beschriftung des Deckblattes zeigt jedoch, wie unsicher er sich hinsichtlich seines neuen Großprojektes zunächst war:

The Black Knight

(Versuch einer) Ballade für Chor und Orchester

Worte von Longfellow

Musik von Edward Elgar

´(wenn es ihm gelingt.)


Die Uraufführung des Werkes fand im Rahmen des Worcester Festival am 18. April 1893 statt. Nur die lokale Presse nahm von dem Ereignis Notiz, reagierte aber ausgesprochen positiv auf Elgars Werk. So schrieb „The Herald and Chronicle":

"Das Werk unterstreicht die Merkmale des orchestralen Stils Mr. Elgars. Beispiele opulenter Orchestrierungskunst wechseln sich ab mit charmanten Melodien und glitzernd hellen und malerischen Passagen. Mr. Elgar wurde vom Publikum herzlich begrüßt, als er den Taktstock ergriff, um die Aufführung seines Werkes zu leiten, die, man kann es nicht anders sagen, am Ende mit großem Applaus bedacht wurde."

Die erste Sprosse der Karriereleiter hatte Elgar erklommen.

 

Handlung & Musik

Elgar, der das Werk zunächst - vielleicht etwas großspurig - „a choral symphony" nannte (später bestand das Verlagshaus Novello auf der Bezeichnung „cantata"), eröffnet sein Werk, das er in vier Szenen unterteilt, mit einem kraftvollen G-Dur-Gestus und einem leicht eingängigen Motiv, das den festlichen Charakter der geschilderten Pfingstfeierlichkeiten trefflich einfängt. Das klingt alles zunächst zeitgemäß konventionell, wenngleich es durchaus Momente gibt, die Elgar höchst individuell und geradezu überraschend angeht. So beispielsweise bei der Umsetzung der das Turnier eröffnenden Worte des Königs, die Elgar nicht so gestaltet, wie man vielleicht erwarten möchte. Keine große Geste, kein sattes Forte, sondern eine ganz im Piano stehende, zurückgenommene Aufforderung. Elgar hat genau gelesen: Einige Strophen später heißt es ja: „the ancient King". Dieser König ist also ein uralter Mann, dessen kraftvolle Stimme wohl mittlerweile versiegt ist. Doch dann geht es im ritterlichen Ton weiter. Fanfaren und ein aufgeregter Orchestersatz zeichnen plastisch die Turnier-Atmosphäre.

Die zweite Szene beginnt erneut festlich mit der Ankunft des unbekannten Kombattanten. Man fordert ihn mit allerlei Pomp auf, seinen Namen preiszugeben. Es folgt eine plötzliche lange Generalpause (lungha), die Stimmung schlägt um ins Gespenstische. Im Pianissimo stellt sich der unheimliche Gast, von tiefen Klarinettentönen begleitet, vor, und es erscheint das von tiefen Bläsern (Tuba, Posaunen) und tiefen Streichern intonierte Motiv des schwarzen Ritters, das fortan an entscheidenden Stellen des Werkes immer wieder auftaucht. Er reitet in die Arena, Chor- und Streicherstaccati deuten sowohl den Ritt als auch das Gestampfe der Hufe an, die die Burg erbeben lassen. Der Chorsatz unterstreicht dies mit wuchtigen chromatischen Abwärtsbewegungen. Ohne Orchester schreit der Chor dann plötzlich heraus, dass der Königssohn gleich beim ersten Stoß aus dem Sattel gehoben wurde, was mit einem starken Einsatz des Blechs untermalt wird. Danach verfällt der Chor in ein schockiertes Piano und der Satz wird - noch einmal die Staccati aufgreifend - zu einem düsteren Ende gebracht.

Die dritte Szene führt den Hörer in den Ballsaal. Man hört ein frühes Beispiel des warm-feierlichen Tons Elgars, im Allegretto wird ein wenig die Atmosphäre des „Salut d'amour" heraufbeschworen. Der Chor imitiert einen höfischen Tanz. Doch dann erscheint - sofort ist die liebliche Atmosphäre verschwunden - der schwarze Ritter und fordert die Königstochter zum Tanz. Und nun entfaltet sich eine ausgesprochen starke Szene. Der Tanz mutet spanisch, ja sogar etwas orientalisch an. Die eingangs von der Oboe vorgetragene Melodie im ¾-Takt, die Elgar hier findet, ist süß, betörend, verführerisch, bedrohlich. Hier tanzen der Tod und das Mädchen, bis dem Mädchen, ein silbriges Flötenmotiv deutet es an, die verblühten Blumen aus dem Haar fallen.

Der vierte Satz ist der längste - und wohl auch der qualitativ uneinheitlichste. Zeigte Elgar in den ersten drei Sätzen einen eindrucksvollen Ideenreichtum und Sinn für die dramatische Umsetzung der Ritterballade, so hält er diese Intensität des Ausdrucks nicht vollständig durch. Nach der langsamen und zeremoniellen Ankunft der feudalen High-Society beim Bankett wechselt die Stimmung schnell ins Düstere, ein trübes Oboenmotiv schleicht sich ein, fallende Flötenfiguren klagen, nervöse Streicher weisen darauf hin, dass bei diesem Fest etwas nicht stimmt. Die Aufforderung des schwarzen Ritters, die Kinder sollten, um Heilung zu erlangen, goldenen Wein trinken, platzt etwas lärmend herein. Das bedrohliche Motiv des Ritters taucht auf. In der folgenden Strophe sterben die Königskinder und mit ihnen erstirbt auch die bisherige Bewegung des Satzes, er siecht mit ihnen im Larghetto und im Pianissimo possibile dahin. Der Tod ereilt die beiden Kinder schließlich im schönsten Es-Dur. Es ist ein vielleicht unerwartet „schönes“ Sterben. Sie sterben - darauf scheint diese Musik hinzuweisen - auf dem Höhepunkt ihrer Jugend und damit noch bevor das Erwachsenenalter ihre Schönheit beflecken kann. Und so ist es im Grunde keine Überraschung, wenn der schwarze Ritter den greisen und todessehnsüchtigen Vater abweist, denn: „Greis! im Frühling brech ich Rosen.“


Insgesamt ist „The Black Knight" ein Werk, das es verdient hätte, auch heute aufgeführt zu werden. Doch führt es - wie die meisten frühen Chorwerke Elgars – in Deutschland wie auch in Großbritannien einen Dornröschenschlaf.

Dieser Erstversuch im Feld der dramatischen Kantate zeigt Elgars ungeheuren Einfallsreichtum und seine Begabung zur dramatischen Gestaltung.

Elgar hatte mit dem „Black Knight" in der wichtigen Chor- und Oratorienszene Westenglands Fuß gefasst und setzte im Anschluss seine Arbeit in diesem Genre mit den „Scenes from the Saga of King Olaf" und „Caractacus" erfolgreich fort.

 

Text

The Black Knight
by Henry Wadsworth Longfellow
From The German of Uhland.


'Twas Pentecost, the Feast of Gladness,
When woods and fields put off all sadness,
Thus began the King and spake:
So from the halls
Of ancient Hofburgh's walls,
A luxuriant Spring shall break.

Drums and trumpets echo loudly,
Wave the crimson banners proudly,
From balcony the King looked on;
In the play of spears, fell all the cavaliers,
Before the monarch's stalwart son.

To the barrier of the fight
Rode at last a sable Knight.
Sir Knight! your name and scutcheon say!
Should I speak it here,
Ye would stand aghast with fear;
I am a Prince of mighty sway!

When he rode into the lists,
The arch of heaven grew black with mists,
And the castle 'gan to rock.
At the first blow,
Fell the youth from saddle-bow,
Hardly rises from the shock.

Pipe and viol call the dances,
Torch-light through the high hall glances;
Waves a mighty shadow in;
With manner bland
Doth ask the maiden's hand,
Doth with her the dance begin;

Danced in sable iron sark,
Danced a measure weird and dark,
Coldly clasped her limbs around.
From breast and hair
Down fall from her the fair
Flowerets, faded, to the ground.

To the sumptuous banquet came
Every Knight and every Dame.
'Twixt son and daughter all distraught,
With mournful mind
The ancient King reclined,
Gazed at them in silent thought.

Pale the children both did look,
But the guest a beaker took;
Golden wine will make you whole!
The children drank,
Gave many a courteous thank;
Oh, that draught was very cool!

Each the father's breast embraces,
Son and daughter; and their faces
Colourless grow utterly.
Whichever way
Looks the fear-struck father grey,
He beholds his children die.

Woe! the blessed children both
Takest thou in the joy of youth;
Take me, too, the joyless father!
Spake the grim Guest,
From his hollow, cavernous breast,
Roses in the spring I gather!
Der schwarze Ritter
von Ludwig Uhland
 
 
Pfingsten war, das Fest der Freude,
Das da feiern Wald und Heide.
Hub der König an zu sprechen:
"Auch aus den Hallen
Der alten Hofburg allen
Soll ein reicher Frühling brechen!"
 
Rote Fahnen festlich wallen.
Sah der König vom Balkone;
In Lanzenspielen
Die Ritter alle fielen
Vor des Königs starkem Sohne.

Aber vor des Kampfes Gitter
Ritt zuletzt ein schwarzer Ritter.
"Herr! wie ist Euer Nam und Zeichen?"
"Würd ich es sagen,
Ihr möchtet zittern und zagen,
Bin ein Fürst von großen Reichen."

Als er in die Bahn gezogen,
Dunkel ward des Himmels Bogen,
Und das Schloß begann zu beben.
Beim ersten Stoße
Der Jüngling sank vom Rosse,
Konnte kaum sich wieder heben.

Pfeif und Geige ruft zu Tänzen,
Fackeln durch die Säle glänzen;
Wankt ein großer Schatten drinnen.
Er tät mit Sitten
Des Königs Tochter bitten,
Tät den Tanz mit ihr beginnen.

Tanzt im schwarzen Kleid von Eisen,
Tanzet schauerliche Weisen,
Schlingt sich kalt um ihre Glieder.
Von Brust und Haaren
Entfallen ihr die klaren
Blümlein welk zur Erde nieder.

Und zur reichen Tafel kamen
Alle Ritter, alle Damen.
Zwischen Sohn und Tochter innen
Mit bangem Mute
Der alte König ruhte,
Sah sie an mit stillem Sinnen.

Bleich die Kinder beide schienen;
Bot der Gast den Becher ihnen:
"Goldner Wein macht euch genesen."
Die Kinder tranken,
Sie täten höflich danken:
"Kühl ist dieser Trunk gewesen."

An des Vaters Brust sich schlangen
Sohn und Tochter; ihre Wangen
Täten völlig sich entfärben.
Wohin der graue,
Erschrockne Vater schaue,
Sieht er eins der Kinder sterben.

"Weh! die holden Kinder beide
Nahmst du hin in Jugendfreude,
Nimm auch mich, den Freudelosen!"
Da sprach der Grimme
Mit hohler, dumpfer Stimme:
"Greis! im Frühling brech ich Rosen. "

(c) Wolfgang-Armin Rittmeier